12. Dezember 2018
Technologieumfeld-Radar statt Operations Efficiency
Interview mit Prof. Dr. Stefanie Bröring
An der Universität Bonn lehrt Prof. Dr. Stefanie Bröring Agribusiness Management, Technologie- und Innovationsmanagement. In ihrer Keynote auf der Konferenz Farm & Food 4.0 in Berlin (21. Januar 2019) geht sie auf disruptive Technologien, neue Geschäftsmodelle und das AgriFood System der Zukunft ein. Wir sprachen mit ihr im Vorfeld darüber, wie Unternehmen den “Kodak-Moment” vermeiden können.
Farm & Food: Was ist Konvergenz bzw. Cross-Industry Innovation – und warum ist das Thema heute so zentral?
Prof. Stefanie Bröring: Konvergenz ist ein großes Schlagwort, genauso wie Cross-Industry Innovation als Konvergenz auf der Produktebene.
Es beschreibt, dass unterschiedliche Wissensfelder, unterschiedliche Technologien oder aber auch ganze Produkte miteinander verschmelzen und hybride Produkte ausbilden, z.B. eine Margarine, die nicht nur sensorische Eigenschaften auf dem Butterbrot hat, sondern gleichzeitig auch den Cholesterinspiegel senkt. Oder Sensoren, die bestimmte Pflanzenkrankheiten frühzeitig erkennen können und Daten senden. Wir haben es dann mit sogenannten Bio-Sensoren zu tun, bei denen biologische Prinzipien mit Elektrotechnik zusammen kommen.
Wie erkennt man frühzeitig disruptive Technologien und wie kann der Kodak Moment vermieden werden – also dass man wichtige Entwicklungen in seiner Branche verpasst?
Konvergenz und das Zusammenwachsen unterschiedlicher Wissensfelder hat viele Konsequenzen für Firmen. Firmen sind vielleicht sogar bedroht, weil auf einmal Wissensfelder aus einer anderen Technologie oder ganz anderen Branchen für sie selber relevant werden. Nehmen Sie das Beispiel Google, selbstfahrende Autos, wo Kompetenzen aus fremden Branchen auf einmal sehr relevant werden.
Die Firma Kodak, die Ende der 2000er Jahre Insolvenz anmelden musste, weil das alte Geschäftsmodell obsolet geworden war, weil es neue Technologien auf Basis der Digitalisierung gab. Neue Technologien sollte man früh erkennen, damit der sogenannte “Kodak Moment” nicht stattfindet.
Das ist nicht einfach für etablierte Firmen, die oftmal sehr stark getrieben sind von “Operations efficiency”, die versuchen, möglichst effizient im heutigen geschäftlichen Umfeld zu agieren – und deswegen neue Trends oder neue Möglichkeiten gar nicht wahrnehmen. Firmen müssen ein “Technologieumfeld-Radar” aufbauen. Wir haben Methoden entwickelt, wie man aus Publikationen und Patentdaten gekoppelt mit neuen Produktlaunch-Daten und M&A Daten bestimmte Wissensfelder und Trends frühzeitig erkennen kann.
Welche Kompetenzen und Partnerschaften brauchen Unternehmen zum Überleben? Wie hat sich das vielleicht in den letzten Jahren verändert, besonders in der FoodTech und AgTech Branche?
Es gibt die Methode des “Roadmappings”, mit der man Kompetenzlücken erkennen kann. Wenn man erkennt, dass ein Thema wie “Digital farming” soweit vorangeschritten ist und man sein Geschäftsmodell, z.B. Pflanzenschutzmittel, anpassen muss, um nicht aus der Wertschöpfungskette zu fliegen.
Firmen brauchen bestimmte Metakompetenzen, z.B. “Sensing Abilities”. Sie müssen versuchen, systemisch zu denken, nicht nur in der eigenen Firma und über den klassischen Tellerrand hinaus, sondern sie müssen versuchen, das gesamte Innovationssystem im Blick zu behalten, was erheblich komplexer geworden ist durch politische und gesellschaftliche Strömungen. Gekoppelt mit Partnerschaften, mit der Möglichkeit, auch an Hochschulen neue Gründungsideen aufzugreifen, vielleicht auch über Venture Capital Fonds zu gehen und regelmäßig Businesspläne zu lesen, um frühzeitig zu erkennen, was in der AgTech Branche passiert.