30. Oktober 2019
Politik im Dornröschenschlaf
Interview mit Dr. Rolf Sommer, WWF
Von Sarah Liebigt
Dr. Rolf Sommer vom WWF Deutschland fordert im Interview mit Farm & Food den Beginn eines gemeinsamen Dialoges zur Zukunft der Landwirtschaft. Er ist Teilnehmer des Panels zu neuen Netzwerken.
Die bundesweiten Demonstrationen von Bauern Ende 2019 lieferten neues Futter für die Debatte um die Definition von Landwirtschaft und deren Deutungshoheit. Wer darf bestimmen? Wer entscheidet, was getan wird? Hier und da wurden neben Schuldzuweisungen und Vorwürfen auch vorausschauende Stimmen laut. „Unser Anliegen ist es, dass die Politik und verantwortliche NGOs mit uns in den Dialog treten und nicht über unsere Köpfe hinweg Entscheidungen treffen, die nicht praktikabel sind oder am Ziel vorbeischießen“, erklärte die Agrargenossenschaft Trebbin in einem im Netzwerk Facebook veröffentlichten Statement. „(…) Die permanente negative Stimmungsmache belastet uns als Menschen und schürt Ärger und Frustration im Berufsstand.“
Farm & Food: Der im Sommer vorgelegte Bericht vom IPCC, an dem WWF beteiligt war, macht deutlich, wie sehr die Klimakrise die landwirtschaftliche Landnutzung beeinflusst. Wie können wir die Landwirtschaft zukunftsfähig machen?
Dr. Rolf Sommer: Der IPCC Sonderbericht betont die Wichtigkeit von Bodenfruchtbarkeit. Um Bodenfruchtbarkeit zu erhalten und aufzubauen, müssen wir Humus in den Boden bringen. Das hat zwei positive Auswirkungen: Ein humoser Boden speichert zum einen Wasser besser: das ist in Zeiten des Klimawandels besonders wichtig. Zum anderen kann dieser Boden Kohlenstoff, ergo Treibhausgase aus der Luft, besser binden.
Wie lässt sich das Bewusstsein der Gesellschaft für nachhaltigen Konsum verbessern?
Wir in Deutschland konsumieren viel mehr, als unsere eigenen Flächen hergeben. Für unser Brathähnchen oder unser Schweineschnitzel werden in Brasilien Regenwälder abgebrannt und in Sojaflächen umgewandelt. Auch für unseren Palmölkonsum brennt in Indonesien der Regenwald. Wir müssen diese Probleme viel deutlicher kommunizieren, hier ist jeder einzelne Verbraucher gefragt. Auch die Politik muss hier nachbessern.
Nach dem erneuten Reduzieren des Klimapakets durch die Bundesregierung stellt sich die Frage: Welche Chancen sehen Sie auf Landes- und kommunaler Ebene nun für einen Beitrag der Politik zu Klimazielen?
Wir dürfen die Bundesregierung nicht aus der Pflicht lassen. Das Klimapaket, so wie es momentan vorliegt, reicht bei Weitem nicht aus. Vor allem geht es um die Förderung von erneuerbaren Energien und einen schnellen Kohleausstieg. Die einzelnen Länder dürfen auch nicht blockieren, so wie wir das zum Beispiel gerade in Bayern sehen: Dort verhindert Ordnungsrecht, dass Windkraftanlagen aufgestellt werden können.
Welche (neuen) Netzwerke braucht es, welche (neuen) Kontakte müssen wir knüpfen, um ohne politische Unterstützung den Dialog zwischen NGOs, Landwirtschaft und Gesellschaft zu verbessern und gemeinsame Ziele festzulegen und zu verfolgen?
Wenn Naturschutzorganisationen und Landwirtschaftsverbände es schaffen, in einen konstruktiven Dialog zu treten, dann werden wir es auch schaffen, tragfähige Lösungen zu entwickeln. Solche Lösungen brauchen wir, um die Politik aus dem Dornröschenschlaf zu wecken.
Was macht die Farm & Food für den WWF zum interessanten Event?
Wenn die Farm & Food es schafft, dass Landwirtschaft und Naturschutzorganisationen in einen ehrlichen Dialog treten und Lösungen erarbeiten, dann können wir das momentane Durcheinander in der Agrarpolitik zu beenden.