11. Februar 2021
Böden werden in der Breite nicht verstanden
Humintech über Bodengesundheit, Humusaufbau und Huminstoffe
Jan Mühlena ist studierter Agrarwissenschaftler der Uni Hohenheim und beschäftigt sich seit jeher mit der Ernährungssicherung und Landwirtschaft in klimatisch herausfordernden Regionen, wie der Sahelzone. Heute arbeitet er als Produktmanager bei HUMINTECH GmbH, einem weltweit führenden Produzenten für Huminstoffe und Partner der Praxis-Talks. Der Boden ist für ihn das zentrale Thema und Humusaufbau Grundstein für eine zukunftsfähige Landwirtschaft.
Von Laura von Ketteler
HUMINTECH beschäftigt sich schon seit den 70er Jahren intensiv mit dem Thema Boden und Huminstoffe. Was macht HUMINTECH aus?
Wir produzieren und vertreiben Produkte auf Basis von Huminstoffen, neben dem Agrarsektor mittlerweile auch in verschiedensten anderen Anwendungsbereichen. Angefangen hat alles mit dem Produkt Perlhumus. Man stellte damals fest, dass hochoxidierte Weichbraunkohle, auch Leonardit genannt, aufgrund seiner sehr hohen Gehalte an Huminsäuren eine überaus positive Wirkung auf die Bodenfruchtbarkeit und das Pflanzenwachstum hat. Mittlerweile vertreiben wir eine ganze Produktpalette auf Basis von Huminstoffen in über 70 Ländern, vor allem dorthin, wo die Anbaubedingungen aufgrund von Klima und Bodenverhältnissen herausfordernd sind. In Deutschland gelangt das Thema Huminstoffe erst seit wenigen Jahren wieder mehr in das Bewusstsein der LandwirtInnen. Nach drei Dürresommern hintereinander und einem gegenwärtigen Paradigmenwechsel der LandwirtInnen, geht der Fokus weg vom Wohl der Pflanze allein, hin zum Wohl von Pflanze und Boden als Einheit. Länder, in denen Wassermangel und herausfordernde Bodenverhältnisse den Normalzustand darstellen, beschäftigen sich schon seit vielen Jahren mit lösungsorientierten Technologien auf Basis von Huminstoffen und wenden diese erfolgreich an.
In den vergangenen 40 Jahren musste ein Drittel der weltweiten Ackerflächen aufgegeben werden. Warum geht so viel Boden verloren?
Das ist äußerst besorgniserregend und zeigt, dass Böden in der Breite nicht verstanden und gewertschätzt werden. In Folge spielt hier die Bodendegradation eine große Rolle. An einem bestimmten Punkt des Missmanagements ist der Boden dann irreversibel zerstört. Ganze Zivilisationen sind in der Vergangenheit daran zugrunde gegangen. Wir haben Versalzungsprobleme in ariden und semi-ariden Regionen und Erosionsprobleme auf unsachgemäß bewirtschafteten Ackerflächen, durch Wind und Wasser verursacht. Zusätzlich nehmen bedingt durch den Klimawandel Extremwetterereignisse zu. Damit verstärkt sich das Problem noch weiter und Ackerböden müssen durch ein aktives Humusmanagement gestärkt werden.
Wir haben es mit äußerst stabilen Hochdruckwetterlagen von Frühling bis Herbst zu tun und es fällt kaum Regen. Das ist eigentlich typisch mediterranes Klima. Diese Ereignisse haben direkten Einfluss auf die Bodenfruchtbarkeit. Unter diesen Bedingungen, wird dann wie eh und je Düngemittel ausgebracht, so wie es in der Ausbildung gelernt wird. Durch Pflügen und Düngen wird das Bodenleben und die Umsetzungsprozesse aber derart angeregt, dass der Humus sich verbraucht. Und natürlich steigt der Wasserverbrauch durch Bewässerung exorbitant an. Nachschub an organischer Substanz erfolgt in der Regel über Wirtschaftsdünger oder andere Formen des Nährhumus, ganz losgelöst von einem ganzheitlichen Humusmanagement. Das alles hat zur Folge, dass wir in vielen Regionen mittlerweile deutlich unter 3% Humusgehalt mit all seinen negativen Folgen für die Bodenfruchtbarkeit haben.
Können Böden, die normalerweise für die Landwirtschaft ungeeignet sind durch Innovation neu erschlossen werden?
Das geht grundsätzlich und kann auch heute noch beobachtet werden. Von Westfalen bis hoch zur Nordsee finden wir zum Beispiel Plaggenböden, das sind menschengemachte Böden, sogenannte Anthrosole. Auf diesen Böden wurde in der Vergangenheit Torf und „Plaggen“ als Stalleinstreu in der Viehhaltung verwendet, kompostiert und dann als organischer Dünger verwendet. Umgerechnet ergab sich so über die Jahre eine etwa 30 cm hohe Schicht aus bestem Nährhumus in einem äußerst unfruchtbaren Sandboden. Ein Teil dieses organischen Düngers wurde über die Jahrzehnte in Dauerhumus verwandelt, wovon wir noch heute profitieren. Solche Grenzstandorte sind äußerst herausfordernd und müssten durch entsprechende humusaufbauende Maßnahmen ständig erhalten, bestenfalls kontinuierlich verbessert werden. Bevor wir aber anfangen neue und ökologisch einzigartige Flächen ackerbaulich zu nutzen, sollten wir uns lieber Lösungen erarbeiten, wie wir über Jahrzehnte degradierte Ackerböden wieder nutzbar machen. Das ist die eigentliche Herausforderung.
Was ist deine Vision einer zukunftsfähigen Landwirtschaft, Stichwort „Vision 2031“ ? Was muss und wird sich hier verändern?
Die deutsche Landwirtschaft muss auf Nachhaltigkeit im definierten Sinne gegründet sein. Ganz praktisch und realistisch. Wir haben uns mit der Agenda 2030 dazu verpflichtet die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Die Lebensgrundlage Boden zählt hier ganz klar dazu. Die Funktion von Böden geht da weit über die der Ernährungssicherung hinaus. Böden gehören neben Wäldern zu den bedeutendsten Orten der CO2 -Speicherung. Gesunde, unbelastete Böden sind kostenfreier Dienstleister für sauberes Grundwasser und am Ende Garant für saubere Luft, wirtschaftlichen Gewinn und einen gesunden Lebensraum für Mensch, Tier und Pflanze. Huminstoffe spielen dabei aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften eine herausragende Rolle.
Bei HUMINTECH merken wir sehr deutlich, dass die Art und Weise wie wir in Deutschland Landwirtschaft betreiben bei immer mehr LandwirtInnen hinterfragt wird. Wo liegen die funktionierenden Alternativen? Die Humusbilanz sinkt, auf degradierten Standorten muss für denselben Ertrag immer mehr gedüngt werden und der Aufwand zur Bekämpfung bodenbürtiger Krankheiten stellt ein Problem dar. Ein belebter, gesunder Boden hygienisiert sich selbst und schenkt reichlich Ertrag bei reduziertem Düngebedarf.
Welche Chancen bergen CO2-Bilanzierungen für Landwirte?
Die Chancen sehe ich in einer Risikominimierung und unterm Strich in einer langfristig gesicherten Wirtschaftsweise, die schlussendlich die Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung ermöglicht. Sie kann ein Schlüsselinstrument für eine nachhaltige Landwirtschaft sein, die aber den Primärinteressen der LandwirtInnen dienlich sein muss. Es ist einleuchtend, dass dabei ein ganzheitliches Humusmanagement eine besondere Stellung haben wird. Und hier kommt es eben, wie immer, auf die politisch vorgegebene Verpackung an. Hier sind noch viele Fragen offen: Wohin führt das Gesamtwirtschaftlich? Entstehen noch mehr Zwänge? Wer kommt für den Mehraufwand auf? Wo liegen die Chancen genau, wie begegnen wir den Risiken? Die Schaffung von Anreizen zu Beginn kann sicher helfen, die Akzeptanz zu erhöhen. Ein solches System sollte sich aber langfristig selbst tragen.