04. Januar 2021
Wertschöpfungsketten in der Krise
Was hat sich 2020 in der EU Landwirtschaft getan?
„Landwirte wurden während der Corona-Krise zum Symbol der Widerstandsfähigkeit“ das waren die einleitenden Worte von Ursula von der Leyen zu den Entwicklungen der EU Landwirtschaft im Jahr 2020. Die Präsidentin der Europäischen Kommission begann mit klaren Worten am 16. Dezember die EU Agricultural Outlook Conference 2020 und betonte, dass Corona kein Grund dafür sein dürfe landwirtschaftliche Umweltmaßnahmen einzuschränken.
Von Laura von Ketteler
Landwirte spielen eine bedeutende Rolle, wenn es zum Schutz von Ökosystemen, Natur und Biodiversität kommt. Mit dem Ziel vor Augen die EU zum ersten CO2 neutralen Kontinenten zu machen, sprach sich von der Leyen für die Unterstützung von Landwirten aus, die gewillt seien umweltfreundlich zu handeln. Acht Milliarden Euro wird das EU-Parlament für die Unterstützung der europäischen Landwirtschaft 2021 und 2022 ausgeben, das wurde diesen Dezember im Parlament beschlossen. Dieses Geld soll vor allem an junge Landwirte und Landwirte, die offen für Veränderungen und umweltfreundliche Systeme sind, gehen.
Trends der EU Landwirtschaft 2020
Die Agrar-News 2020 wurden dominiert von kilometerlangen Traktordemonstrationen vor dem Brandenburger Tor und den Toren Lidls und ALDIs, von dem Tönnies Skandal und natürlich von der Corona-Krise. Letzteres war zentrales Thema der diesjährigen virtuellen EU-Konferenz. Diskussionsthema Nummer eins der LandwirtInnen, Politiker, Unternehmer und Co: Die Trends, die sich im Jahr 2020, besonders beeinflusst von der Corona-Pandemie, herauskristallisiert haben und was die EU aus der Krise gelernt hat. Konsens zahlreicher Teilnehmer war jedenfalls, dass die Lebensmittelindustrie im letzten Jahr schon enorme Widerstandsfähigkeit bewiesen hat. „Durch die EU-weite Einführung der Green Lines war der Import und Export von Rohstoffen bzw. Lebensmitteln relativ schnell gesichert“ verkündete der Kommissar für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung Janusz Wojciechowski. Nach wie vor müssen Widerstandfähigkeit und Flexibilität des Lebensmittelsystems jedoch weiterhin ausgebaut werden, um zukünftige Krisen noch besser abwehren zu können. Generell ist eher eine Verstärkung einiger schon vor der Krise bestehender Trends als eine komplette Überholung des Lebensmittelsystems zu erkennen.
Verändertes Konsumentenverhalten
Über das letzte Jahr hat sich primär die Nachfrage der Konsumenten verändert. Durch die Corona-Krise haben der Kauf von Lebensmitteln in Supermärkten und der online-Handel von Lebensmitteln stark zugenommen. Zeitgleich mit einer wachsenden Nachfrage nach online-Produkten stieg auch der Bedarf nach regional produzierten Lebensmitteln. Die Konsumenten zeigen ein stärkeres Bewusstsein für die Herkunft der Produkte und die Transparenz der Wertschöpfungskette. Landwirte reagierten vermehrt mit dem Aufbau von online-Direktvermarktungskonzepten.
Frischepost ist eines der Unternehmen, welches von den Entwicklungen des letzten Jahres profitiert hat, denn hier werden drei Verbraucher-Bedürfnisse angesprochen: Regionalität, Transparenz und die Möglichkeit auf online-Bestellung. „Wir sehen deutlich, dass das Bewusstsein für Regionalität stetig zunimmt. Aufgrund von Covid-19 haben sich unsere Privatkundenbestellungen mehr als versechsfacht. Die Kunden bleiben zu Hause, schätzen den Lieferservice und sind froh, dass sie mit uns regionale, nachhaltig produzierende Höfe und Betriebe unterstützen können“ sagt Frischepost Co-Gründerin Juliane Willing.
Der Einkauf von Lebensmitteln in Supermärkten ist teilweise um bis zu 18% gestiegen, da die Menschen nicht mehr auswärts aßen und zusätzliche Geld an der ein oder anderen Ecke sparten. Supermarktketten wie REWE haben schnell auf die veränderte Nachfrage ihrer Kunden reagiert und bauen ihr regionales Netzwerk mit Erzeugern und Lieferanten stark aus. Gleichzeitig ging der Einkauf von Hygieneartikeln, wie Shampoo und Deo zurück. Nährwert und Gesundheitsaspekte sind neben Umwelt und Klimawandel noch wichtigere Faktoren für die Wahl der Verbraucher geworden. Darunter fällt auch ein veränderter Fleischkonsum hin zu weniger Schweine und Rindfleisch, etwas mehr Hühnerfleisch und vor allem wachsende Beliebtheit von EU-produzierten pflanzlich basierten Produkten, wie Soja, Erbsen und Linsen. Der Gemüse und Obst Markt profitierte ebenso von der gesteigerten Nachfrage nach gesunden und unverarbeiteten Lebensmitteln.
In diesem Zusammenhang wurden die Nachhaltigkeitsaspekte der EU-Landwirtschaft und der Lebensmittelproduktion in den politischen Diskussionen über die Zukunft der gemeinsamen Agrarpolitik und die Umsetzung der Ziele des Europäischen Green Deal und dem Farm-to-Fork-Konzept gestärkt.
Auswirkungen auf den Markt
Zwar waren die Auswirkungen der Krise auf den Lebensmittelmarkt längst nicht so drastisch wie in der Finanzkrise, jedoch spürbar in dem ein oder anderen Bereich. Der begrenzte Schaden lässt sich laut FAO auf das damals in Kraft gesetzte AMIS System zurückführen, eine Plattform zur Verbesserung der Transparenz des Lebensmittelmarktes. In manchen Lebensmittelbereichen sanken die Produktpreise deutlich während der Krise. Die Rinderpreise sind Anfang des Jahres zum Beispiel auf Mehrjahrestiefs abgestürzt. Grund war die Schließung von Gastronomie-Betrieben. Das ließ sich auch durch die Umleitung von Rindfleisch in den Lebensmittelhandel oder die Direktvermarkung nicht beheben.
Aber auch langfristige Trends sind im letzten Jahr erkennbar geworden. Anbausysteme wie Regenerative Landwirtschaft und Agroforst fanden im letzten Jahr Europaweit verstärkt begeisterte und experimentierfreudige Anhänger. Dazu gehören Humusaufbau und der CO2-Zertifikathandel als Investitionsmöglichkeit. Durch Covid-19 und den Ausfall von Saisonarbeitern ist außerdem das Thema Automatisierung der Landwirtschaft noch stärker als zuvor angetrieben worden.
Wirtschaftsprüfer und Beraterfirma Deloitte fasste abschließend folgende Trends zusammen: Gesundheit, Verbraucherbewusstsein, Klima, LandwirtInnen Proteste und Tech-Investments. Das Fazit der Konferenz: Um die Lieferketten in Zukunft noch stabiler zu machen, müssen sie kürzer und flexibler werden.