08. Januar 2019
Biologie trifft Technik
Interview mit Prof. Cornelia Weltzien
Das Leibniz Institute for Agricultural Engineering and Bioeconomy e.V. (ATB) in Potsdam erforscht die Schnittstelle von biologischen und technischen Systemen in Landwirtschaft und Ernährung. Prof. Dr.-Ing. Cornelia Weltzien entwickelt als Head of Department Engineering for Crop Production mit ihrem Team neue Techniken und Verfahren für eine nachhaltige, ressourcenschonende Erzeugung pflanzlicher Produkte. Farm & Food 4.0 sprach mit ihr darüber, wie eine nachhaltige Landwirtschaft aussehen kann – und welche Rolle digitale Methoden dabei spielen können.
Farm & Food: Frau Prof. Dr.-Ing. Weltzien, wie sieht Ihre Vision für eine zukunftsfähige Landwirtschaft aus?
Prof. Dr.-Ing. Cornelia Weltzien: Die Vision einer zukunftsfähigen Landwirtschaft, die wir hier in der Abteilung Technik- und Pflanzenbau (ATB) entwickelt haben, basiert auf 20 Jahren Erfahrungen in Precision Agriculture, die wir hier haben. Wir gehen von einer wissensbasierten standort-spezifischen und dadurch bedarfsorientierten Landwirtschaft aus – dass wir wirklich an jedem Ort und zu jeder Zeit wissen, was der Bedarf der Pflanze ist, was das Potenzial des Bodens ist und wie wir den optimalen Ertrag erzielen können, bei absolut nachhaltiger Nutzung der natürlichen Ressourcen.
Welches Potenzial bieten digitale Methoden für die Landwirtschaft?
Ich denke, dass uns die digitalen Methoden in die Lage versetzen, die Komplexität in den Griff zu bekommen. Die Landwirtschaft ist ein unglaublich komplexes System. Wir haben die natürlichen Bedingungen, wir haben die technischen Maschinen und Geräte und wir haben unterschiedliche Sorten und Arten, die unterschiedlich auf die natürlichen Bedingungen reagieren.
Und zusätzlich haben wir im Moment auch noch den Klimawandel, der alles auf dem Kopf stellt, was wir in den letzten hundert Jahren an Erfahrung gesammelt haben. Das System ist wirklich extrem komplex, und wenn wir es nachhaltig gestalten wollen – auch mit den gesellschaftlichen Zielen im Hintergrund – dann ist das für einen einzelnen Menschen fast gar nicht mehr zu lösen. Die Digitalisierung kann helfen, mit den enormen (Rechnen-)Ressourcen, die zur Verfügung stehen, aber auch mit den neuen Methoden des Machine Learnings, komplexe Zusammenhänge einfacher begreifbar zu machen und einfacher zu managen.
Wo stehen wir heute und welche Hürden gibt es noch zu überwinden beim Einsatz digitaler Lösungen auf dem Acker?
Wir stehen bei der Digitalisierung noch ganz am Anfang. Wir haben sehr viele wunderbare Teillösungen entwickelt, vor allem im Bereich Sensorik oder beim klassischen Precision Farming, also bei standortspezifischen Lösungen, aber daraus muss noch ein komplettes System kreiert werden, das wirklich die verschiedenen Informationsebenen miteinander verknüpft.
Die technischen Hürden liegen dabei bei den Algorithmen. Die Logik für diese Gesamt-Systeme existiert noch nicht; da sind wir als Forscher ganz stark gefordert. Sowohl die rechtlichen Rahmenbedingungen müssen geklärt werden, z.B. wer hat welche Rechte an welchen Daten. Last but not least brauchen wir aber die infrastrukturellen Voraussetzung dafür. Wir haben im Moment in der Landwirtschaft mehr weiße Flecken als vernünftige Abdeckung mit Mobilfunk.
Es steht noch in den Sternen, ob die 5G Technologie eine Verbesserung bringen wird. Wenn man über Mobilfunk-Abdeckung redet, dann betrifft das in der Regel Dörfer und Straßen, aber keineswegs die Flächen im Feld. Das sind wirklich technische Voraussetzungen in der Netzwerkabdeckung, die noch zu lösen sind.
Die aktuelle Landwirtschaft setzt auf Ertragsoptimierung. Wie lassen sich zukünftig auch Ökosystemleistungen in eine datengestützte Bewirtschaftung gewinnbringend integrieren?
Das ist eine der großen Hoffnungen, die wir hegen: dass wir es schaffen, gesellschaftliche Ziele wie Ökosystemleistung, wie verbesserte Nachhaltigkeit, wie verbesserte Gesundheit des Menschen auf Grund einer gesunden Landwirtschaft wirklich in einem System abbilden zu können.
Dazu brauchen wir Sensoren, die in der Lage sind, diese Ökosystemleistungen auch aufzuzeichnen und zu monitoren. Wir brauchen Dokumentationssysteme, die nachweisen können, dass bei der Produktion eines Produktes diese und jene Ökosystemleistungen berücksichtigt wurden. Das Potenzial und die Hoffnung ist da, dass wir es schaffen, mit Hilfe der digitalen Methoden solche Dokumentationssysteme aufzubauen und umzusetzen.
Welche Stellenwert hat die Konferenz Farm & Food 4.0 für Sie und was erwarten Sie von Ihrer Teilnahme?
Die Farm&Food 4.0 ist für mich ein ganz tolles Forum, in dem wir uns vernetzen, austauschen und mit anderen Experten treffen können, uns gegenseitig Anregungen geben. Die Veranstaltung ist auch eine Diskussionsplattform, die in die Politik hinein reichen kann. Hier in Berlin und durch die Nähe zur Internationalen Grünen Woche bietet sie auch Möglichkeiten, in die allgemeine Bevölkerung hinein zu wirken. Aber vor allen Dingen es ist für mich ein Netzwerk, ein Austausch mit Experten und Gleichgesinnten.