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Foto: agraligna GmbH

02. August 2021

Bäume auf dem Acker: Traditionelles Konzept mit Zukunftspotenzial

Agroforstwirtschaft unter der Lupe

Freie Bahn für die Agroforstwirtschaft: Der Deutsche Bundestag beschloss am 13. Januar 2021 die Rahmenbedingungen für diese Landnutzungsform deutlich zu verbessern. Doch um den Anbau von Ackerfrüchten und Gehölzen so zu kombinieren, dass beide Bereiche daraus Nutzen ziehen, bedarf es Wissen und einer guten Vorbereitung.

Von Wolfgang Rudolph

Whitepaper zur Klimalandwirtschaft aus Praxis-Talk #03

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Die Folgen des Klimawandels sowie wachsende Ansprüche an den Natur- und Umweltschutz stellen Landwirtschaft und Forstwirtschaft gleichermaßen vor große Probleme. Doch obwohl beide Bereiche oft in einem Atemzug genannt werden und zum selben Ministerium gehören, gehen Landwirte und Forstwirte bei der Bewältigung der aktuellen Herausforderungen weitestgehend eigene Wege.

Die Agroforstwirtschaft will diese Trennung ein Stück weit überwinden, und hat gute Argumente dafür. Denn durch das Zusammenspiel einer oder mehrerer Komponenten aus Landwirtschaft, Gartenbau und Nutztierhaltung mit dem mehrjährigen Anbau von Bäumen und Sträuchern auf derselben Fläche lassen sich Synergien erzielen, die gegenüber Reinkulturen eine ganze Reihe von Vorteilen bringen (siehe Kasten Pro und Contra Agroforstwirtschaft).

Was wie ein innovatives Konzept klingt, ist eigentlich eine uralte Landnutzungsform, die bis ins 19. Jahrhundert breite Anwendung fand. Beispiele dafür sind Streuobstwiesen mit Hochstamm-Obstbäumen und Grünland für die Beweidung bzw. Futterproduktion, bewirtschaftete Heckenstrukturen, in Norddeutschland als „Knicks“ bezeichnet, zur Einfriedung der Felder und als Windschutz. Die Trennung in Kategorien wie Acker, Grünland oder Wald mit massiven Auswirkungen auf den Bodenwert entstand im Prozess der administrativen Zuordnung von Nutzungsrechten und hat kaum etwas mit dem natürlichen Potenzial der Flächen zu tun.

An Grenzstandorten Gewinne wachsen lassen

Trotz der nun zu erwartenden besseren Rahmenbedingungen sind Agroforstsysteme aber wohl auch künftig keine Selbstläufer. Davon ist zumindest Hans-Georg von Engelbrechten überzeugt. Er führt in Vollenschier nahe Stendal (Sachsen-Anhalt) einen 400 ha großen Ackerbaubetrieb und ist Mitglied im Maschinenring Elb-Havel-Winkel. „Neben dem Austausch von Maschinen und Dienstleistungen nutze ich das Angebot des Maschinenrings zur regelmäßigen Bodenbeprobung meiner Flächen. Aber auch als Plattform für den Austausch von Informationen und Erfahrungen möchte ich den Zusammenschluss nicht missen“, sagt der Landwirt. Bereits während seines Studiums der Landwirtschaft und in der Diplomarbeit beschäftigte sich der 42-Jährige mit dem Anbau von Gehölzen auf Ackerflächen, vornehmlich schnellwachsender Baumarten wie Pappel oder Weide für die Energieholzgewinnung. Den Anstoß dazu gaben Flächenteile seines Betriebes in der Altmark mit sehr leichten Böden, die keine Grundlage für den wirtschaftlichen Anbau von Marktfrüchten boten und daher brach lagen. „Solche Grenzertragsstandorte, sei es nun wegen geringer Bodenwertzahl, schlechter Bodenstruktur, ungünstigem Zuschnitt oder geringer Flächengröße, können als extensive Gehölzflächen gewinnbringend genutzt werden“, weiß von Engelbrechten aus seinen wissenschaftlichen Untersuchungen. Pro Hektar und Jahr könne die Energieholzernte von Kurzumtriebsplantagen etwa 5.000 Liter Heizöl ersetzen.

Praktische Erfahrungen auf diesem Gebiet sammelte er nach dem Studium beim Landesforstbetrieb Sachsen-Anhalt als Projektleiter für Kurzumtriebsplantagen auf sogenannten Nichtholzböden. Das sind für eine Bestockung mit Hochwald ungeeignete Forstareale, beispielsweise Leitungstrassen.

2010 gründete von Engelbrechten als zweites Standbein zum landwirtschaftlichen Betrieb die agraligna GmbH. Das Unternehmen bietet sämtliche Dienstleistungen rund um die Produktion von Agrarholz, von der Beratung zu Standort, Sorte und Pflanzverband über Anpflanzung und Bestandspflege bis zur Ernte. Das Angebot umfasst zudem eine Beratung zur Vermarktung von Holzhackschnitzeln sowie zur Planung von Heizanlagen und Wärmenetzen. Auch auf dem Hof in Vollenschier deckt ein Hackschnitzelkessel den gesamten Wärmebedarf.

Pro Agroforstwirtschaft

  • Wechselwirkungen zwischen beiden Komponenten: Bäume und andere mehrjährige holzige Pflanzen werden auf einer landwirtschaftlich genutzten Fläche neben oder im Wechsel mit üblichen Ackerkulturen etabliert. Möglich ist außerdem eine Kombination mit Tierhaltung.
  • Ökonomische, ökologische und landschaftsästhetische Aufwertung: Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit, Wasserqualität und Biodiversität durch eine positive Beeinflussung des Mikroklimas. Bäume werden zur Bildung tieferer Wurzeln erzogen und dienen als Wasser- und Nährstoffpumpe. Das Wurzelsystem nimmt überschüssiges Nitrat auf, wodurch ein Beitrag zum Grundwasserschutz geleistet wird.
  • Erosionsschutz: Bäume und Hecken halten Wind ab und spenden Schatten. Dadurch vermindert sich die Gefahr von Erosion sowie Austrocknung des Bodens und der Unterkultur.
  • Humusbildung: Die extensive Bewirtschaftung mit langjähriger Bodenruhe befördert die Humusbildung.

Contra Agroforstwirtschaft

  • Die langfristige Kapital- und Flächenbindung: Besonders bei der Wertholzproduktion bleibt der Rückfluss der Finanzmittel in Höhe und Zeitpunkt nur schwer kalkulierbar. In welchem Umfang eine Kompensierung durch finanzielle Zuschüsse erfolgt, wird sich erst zeigen, wenn Bund und Länder den Beschluss des Bundestages vom 13. Januar 2021 zur Förderung der Agroforstwirtschaft in den entsprechenden Förderrichtlinien umsetzen.

Gute Flächenvorbereitung ist die halbe Miete

„Bei der Vorbereitung einer KUP sollten Landwirte ähnlich vorgehen wie bei der Planung ihrer sonstigen Ackerfrüchte, nämlich zunächst die Vermarktungsoptionen erkunden“, rät der agraligna-Geschäftsführer. Ist kein Hackschnitzelkraftwerk in der Nähe, mit dem sich langfristige Lieferverträge abschließen lassen, könne man die Möglichkeit prüfen, selbst eine Wärmesenke zu schaffen, etwa durch die Substitution einer Ölheizung in einem kommunalen Gebäude oder den Bau einer Heizzentrale für die Versorgung von Wohnhäusern über ein Wärmenetz. Der Nachweis einer sicheren Brennstoffversorgung aus dem Agroforstsystem erweise sich erfahrungsgemäß als ein gutes Argument gegenüber den Banken bei der Finanzierung solcher klimafreundlichen Projekte, die ja auch mit einem guten Image verbunden sind.

Ernte von Energieholz in einer Kurzumtriebsplantage in Sachsen-Anhalt durch die Firma agraligna.
Ernte von Energieholz in einer Kurzumtriebsplantage in Sachsen-Anhalt durch die Firma agraligna.
Foto: agraligna GmbH

„Geht es dann los, ist die gründliche Flächenvorbereitung schon mal die halbe Miete“, weiß von Engelbrechten. Im Mittelpunkt stehe dabei das Aufbrechen von Verdichtungen und die Unkrautunterdrückung. Für das Anlegen der KUP bzw. des Ackerforststreifens im Frühjahr hat der Firmenchef gemeinsam mit dem Hersteller eine dreireihige Maschine für die Pflanzung von Pappel- und Weidestecklingen optimiert. Sie bietet nicht nur Einstellmöglichkeiten bei Arbeitstiefe, Taktung und Reihenabstand, sondern kann parallel zur Pflanzung ein Tropfbewässerungsrohr in der Erde verlegen. „An extrem leichten Standorten kann eine Startbewässerung in den ersten zwei bis drei Jahren sinnvoll sein. Sie sichert bei längeren Trockenphasen die Etablierung des Bestandes und damit die Anlageninvestition. Eine Tropfbewässerung ist dabei besonders wassersparend“, erläutert von Engelbrechten. Auf einer 28 ha großen KUP-Fläche im brandenburgischen Grunow habe man das bereits erfolgreich praktiziert.

Da er den größten Teil seiner eigenen 7,5 ha umfassenden Agrarholzfläche für die Vermehrung von zertifizierten Weide- und Pappelstecklingen über Stockaustriebe nutzt, kann er für die Anpflanzung bei Kunden auf standortangepasstes Saatgut zurückgreifen. „Für trockene Regionen nutze ich länger geschnittene Stecklinge, die tiefer gepflanzt werden können“, so der Dienstleister.

In den zehn Jahren seit Gründung habe das Unternehmen zahlreiche KUP zwischen 5 und 50 ha angelegt und Energieholzprojekte begleitet. Dazu gehören eine 20 ha-Anlage des Bioenergiedorfs Beuchte in Niedersachsen, eine KUP für ein CO2-Einsparvorhaben der Stadt Braunschweig und mehrere Energieholzflächen rund um Berlin für Heizkraftwerke von Vattenfall. Insgesamt hat agraligna nach eigenen Angaben bislang gut 700 ha KUP begründet und dabei rund 7,5 Mio. Bäume gepflanzt.

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Forststreifen auf dem Acker effizient ernten

Ortswechsel ins brandenburgische Peickwitz: Während die Agrarlandschaft ringsum ziemlich aufgeräumt wirkt, ziehen sich durch das Feld von Thomas Domin mehrere Streifen mit Robinien und Pappeln. Sie sind quer zur Hauptwindrichtung angelegt und zwischen 10 bis 15 m breit. „Die Gehölzstreifen verhindern Winderosion, was auf diesem Feld vorher immer ein Thema war“, berichtet der Landwirt, der auf insgesamt 300 ha mit 20 bis 25 Bodenpunkten Marktfrüchte sowie Futter für seine 25 Mutterkühe und 40 Mastschweine anbaut. Die Wechselwirkung zwischen Acker- und Forstkulturen verringere zudem die Verdunstung und die Bäume wirkten wie eine Pumpe auf Grundwasserströme. Bei gerade mal 550 bis 570 mm Niederschlag im Jahr, wirke das durchaus positiv auf den Ertrag. Dadurch werde der Flächenverlust, bei ihm insgesamt 7 ha, mindestens ausgeglichen.

Unterstützung bei der Etablierung der Gehölzstreifen erhielt der Landwirt von Susann Skalda. Die studierte Forstwirtin und Holztechnologin gründete 2013 das Dienstleistungsunternehmen Schradenholz. Neben der Beratung von Landwirten und Kommunen zur Anlage, Pflege und Nutzung von KUP und Agroforstsystemen beinhaltet ihr Leistungsangebot Holzerntearbeiten, Landschaftspflege sowie die Trocknung und der Vertrieb von Hackschnitzeln.

Zur Technik, die sie dafür einsetzt, gehört der Anbau-Mähhacker MH-130. Das Gerät entwickelte die im sächsischen Königswartha ansässige Kluge GmbH in Zusammenarbeit mit dem Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB) Potsdam. Das 1,8 t schwere Gerät ist im Front- oder Heckanbau an Standardschleppern mit einer Leistung ab 180 PS nutzbar und kann in einem Pkw-Anhänger zu den Einsatzorten mit gegebenenfalls kleinen Holzernteflächen transportiert werden. Die Bäume mit einem Stammdurchmesser von bis zu 20 cm bei Weichholz (Pappel, Weide) bzw. bis zu 15 cm bei Hartholz (Robinie) werden von dem 1.300 mm großen Sägeblatt bei einer Drehzahl von 1.000 U/min stehend abgesägt und anschließend sofort von zwei bzw. vier Messern gehackt. Dadurch ist kein Vorspannen der Bäume nötig und es werden Beschädigungen im Wurzelbereich vermieden. Die Hackschnitzelgröße ist von G30 (fein) über G50 (mittel) bis G100 (grob) variabel einstellbar.

„Mich überzeugt das Konzept der Agroforstwirtschaft. Neben der Verbesserung der Anbaubedingungen und positiven Umwelteffekten ist die Gewinnung von Energieholz das Plus obendrauf“, sagt Landwirt Domin. Er plant die Anschaffung eines Holzgas-BHKW. Die KWK-Anlage soll zum einen Wärme für die Heizung der Betriebsgebäude sowie ganzjährig für Schlachtung und Fleischerei bereit stellen und zum anderen Strom für die Direktvermarktung liefern.

Diese Aufgabe übernimmt derzeit noch die Biogaserzeugung auf dem Hofgelände. Die Anlage mit einer elektrischen Leistung von 150 kW wurde bereits 2005 errichtet. „Jetzt kündigt sich eine Reihe größerer Reparaturen an und auch das Futter für den Fermenter ist mittlerweile so teuer, dass die Biogasproduktion kaum noch rentabel ist“, so Demin. Daher gebe es Überlegungen, die Biogasanlage gegebenenfalls sogar vor dem Auslaufen des EEG-Vergütungszeitraumes im Jahr 2025 abzuschalten und dafür den Holzvergaser in Betrieb zu nehmen. Hackschnitzel als Energieträger ließen sich in ausreichendem Maße von den Gehölzstreifen des Agroforstsystems sowie von den zum Hof gehörenden 38 ha Wald aufbringen.

Fazit

Das eindeutige Abstimmungsergebnis im Bundestag zwingt das Bundeslandwirtschaftsministerium und die Länder zu einer Aufnahme von Agroforstsystemen in die Förderkulisse. Unabhängig davon zeigen alle Erfahrungen, dass eine erfolgreiche Agroforstwirtschaft ein durchdachtes und belastbares Gesamtkonzept erfordert. Für Landwirtinnen und Landwirte, die sich mit dem Gedanken tragen diese Landnutzungsform in ihr Betriebskonzept aufzunehmen, aber bisher vor den schlechten Rahmenbedingungen in Deutschland zurückschreckten, eröffnet sich damit eine Chance

Dieser Artikel erschien zuerst in der Bauernzeitung.

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