26. November 2018
Wir stehen am Anfang einer (Clean Meat-)Revolution
Interview mit Prof. Hans-Wilhelm Windhorst
Wie wäre es mit einem leckeren Burger – der aber nicht vom Rind stammt, sondern in der Petrischale gezüchtet wurde? Streng genommen im Bio-Reaktor, aber aus schmackhaften Stammzellen von Rindern, Schweinen oder Geflügel hergestellt? Was sich jetzt noch mehr als seltsam anhört, könnte in Zukunft einige Probleme der Massentierhaltung lösen. Die Thematik wird – natürlich – auch auf der Konferenz Farm & Food 4.0 in Berlin diskutiert. Wir konnten vorab ein Gespräch mit Prof. Dr. Hans-Wilhelm Windhorst über Clean Meat führen.
Farm & Food: Herr Prof. Windhorst, Sie leiten das WING – was genau ist die Aufgabe dieser Einrichtung?
Prof. Dr. Hans-Wilhelm Windhorst: Das Wissenschafts- und Informationszentrum Nachhaltige Geflügelwirtschaft (WING) wurde 2012 gegründet. Es ist eine Kooperation zwischen der Universität Vechta und dem niedersächsischen Geflügelwirtschaftsverband. Es hat das wissenschaftliche Anliegen, die weltweit laufende Geflügelforschung an einem Standort zu konzentrieren. Der zweite Aspekt ist die sogenannte Transparenzoffensive, wo wir Geflügelställe für die Öffentlichkeit verfügbar machen und jeder sich dann ein Bild von der modernen Geflügelwirtschaft machen kann.
Wie kann Tierhaltung und Nachhaltigkeit in der Zukunft funktionieren?
Nachhaltigkeit kann sehr unterschiedliche Aspekte haben. Einmal geht es sicherlich um eine vernünftige Nutzung der Ressourcen, die auf Dauer knapper werden, und die Reduzierung der negativen Einflüsse auf unsere Umwelt, wie Luft und Wasser. Nachhaltigkeit muss aber auch heißen, dass wir ein sicheres Produkt für die Bevölkerung auf Dauer produzieren können, und dass die Arbeitsbedingungen der Menschen, die in diesen Unternehmen tätig sind, vertretbar sind.
Jetzt kommen neue Technologien auf wie Clean Meat, also Fleisch aus dem Labor. Wie weit sind wir bisher?
Wir stehen sicherlich am Anfang einer Revolution. Die theoretischen Konzepte sind schon sehr weit gediehen. Die Frage, die sich noch stellt ist: Wann werden wir in der Lage sein, hinreichende Mengen zu produzieren. Das wird sicherlich noch Jahrzehnte dauern. Es wird geschätzt, dass frühestens im Jahr 2030 etwa 20 Prozent des Weltbedarfs in dieser Form erzeugt werden können.
Welche Rolle spielt der Verbraucher in Sachen Akzeptanz für neue Produkte? Was muss passieren, damit Verbraucher Clean Meat annehmen?
Wir können einen gesellschaftlichen Wandel feststellen. Gerade die jüngeren Bevölkerungsschichten machen sich sehr viele Gedanken über ihre Zukunft, den Klimawandel, die Verfügbarkeit von Ressourcen. Junge Menschen sind sicherlich Clean Meat-Produkten offener gegenüber eingestellt als ältere Jahrgänge.
Es muss jedoch sichergestellt werden, dass diese Produkte ohne Bedenken konsumiert werden können und keine gesundheitlichen Nachteile haben. Es bedarf sicherlich noch einer Menge an Überzeugungsarbeit, gerade auch der Lebensmittel-Einzelhändler, dies den Konsumenten rüberzubringen und klar zu machen, was in der Zukunft auf die Konsumenten zukommt.
Sie werden auf der Farm & Food 4.0 im Januar 2019 eine Diskussion zum Thema Clean Meat moderieren. Welchen Stellenwert hat die Farm & Food 4.0 Konferenz für Sie und was erwarten Sie von Ihrer Teilnahme?
Ich halte es für eine sehr wichtige Konferenz, weil sie die Möglichkeit bietet, ohne Emotionen und gegenseitige Schuldzuweisungen sachlich über Themen zu diskutieren. Eine Veranstaltung, wie wir sie jetzt planen, ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.